14.10.2019

Bestimmung des Zeitpunkts der Zustellung

Zahlreiche Fristen beginnen mit der Mitteilung einer Anordnung zu laufen. Fristauslösende Mitteilungen werden in der Regel schriftlich zugestellt, sodass die Fristen im Zeitpunkt der Zustellung zu laufen beginnen. Wann eine Sendung als zugestellt gilt, ist bisweilen schwer zu bestimmen.

In zivilrechtlichen Verfahren richtet sich der Zeitpunkt der Zustellung schweizweit einheitlich nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO). Soweit die Sendung beim ersten Zustellversuch in Empfang genommen wird, gilt die Zustellung in diesem Zeitpunkt als erfolgt. Bleibt der Zustellversuch ohne Erfolg, ist der Zeitpunkt der Abholung am Postschalter massgeblich, sofern dies innert 7 Tagen erfolgt. Wird die Sendung nicht innert 7 Tagen abgeholt, gilt die Sendung am 7. Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt (sog. Zustellfiktion). Auch eine Verlängerung der Abholfrist oder ein Zurückbehaltungsauftrag haben keinen Einfluss auf die Zustellfiktion und den Beginn der Frist. Es ist daher möglich, dass eine Frist im Zeitpunkt der Entgegennahme der Mitteilung bereits läuft oder sogar schon abgelaufen ist.

Eine Besonderheit besteht bei der Zustellung von Sendungen mittels „A-Post Plus“. Bei einer Zustellung mit A-Post Plus muss der Empfang im Gegensatz zum eingeschriebenen Brief nicht durch den Empfänger quittiert werden. Die Ablage der Sendung im Briefkasten oder im Postfach des Empfängers wird aber erfasst, sodass der genaue Zeitpunkt nachweisbar ist. Als zugestellt gilt die Sendung mit A-Post Plus bereits mit der Ablage im Briefkasten oder im Postfach. Dieser Zeitpunkt kann vom Empfänger nur durch Konsultation der Sendungsverfolgung festgestellt werden. Dadurch entsteht ein hohes Risiko eines Irrtums über den Zeitpunkt der Zustellung. Entsprechend musste sich das Bundesgericht schon mehrfach mit der Zustellung von Mitteilungen mittels „A-Post Plus“ beschäftigen (wobei häufig die Frage im Vordergrund stand, in welchen Verfahren eine Zustellung von Mitteilungen mittels A-Post Plus überhaupt zulässig ist).

Die Post bietet verschiedene Dienste zur Steuerung der Zustellung von eingeschriebenen Briefen an (z.B. Verschiebung des ersten Zustellversuchs, Erlaubnis zur Ablage in den Briefkasten oder Zustellung an einen Nachbarn). Es ist unklar, wie sich solche Dienste auf den Zeitpunkt der Zustellung auswirken. Beispielsweise kann sich die Frage stellen, ob mit einer Verschiebung des ersten Zustellversuchs auch der Eintritt der Zustellfiktion verschoben werden kann. Bislang musste sich das Bundesgericht noch nie zu solchen Fragen äussern.

Noch unübersichtlicher werden die Verhältnisse schliesslich im kantonalen Verwaltungsverfahren (hierzu gehören insbesondere die Baurekursverfahren). Diese kantonalen Verwaltungsverfahren sind nämlich im jeweiligen kantonalen Recht geregelt. Wann eine Sendung als zugestellt gilt, muss deshalb im kantonalen Verwaltungsverfahren stets nach Massgabe des anwendbaren kantonalen Rechts geprüft werden.

Für den juristischen Laien ist es deshalb schwierig, den Zeitpunkt der Zustellung und des Beginns einer Frist korrekt zu bestimmen. Damit ein Anwalt bei der Mandatsübernahme den Beginn (und das Ende) von laufenden Fristen verlässlich kontrollieren kann, muss er den Sendungsverlauf mittels Track & Trace überprüfen können. Hierfür benötigt er die Sendungsnummer der fristauslösenden Mitteilung. Das Briefcouvert der eingeschriebenen Sendung (oder A-Post Plus) sollte deshalb unbedingt aufbewahrt und zusammen mit der fristauslösenden Mitteilung an den Anwalt abgegeben werden.