23.03.2022

Durchblick im Fristen-Dschungel

Das Recht kennt verschiedene Arten von Fristen, etwa Verwirkungsfristen, Verjährungsfristen oder prozessuale Fristen. Je nach Art der Frist ergeben sich Unterschiede bei der Berechnung der Frist. Ein Blick auf die reichhaltige Rechtsprechung zeigt, dass die korrekte Berechnung von Fristen auch für Anwälte herausfordernd sein kann.

Arten von Fristen

Der Ablauf einer Verwirkungsfrist bewirkt den Untergang eines Rechts. Verwirkungsfristen können (normalerweise) weder unterbrochen noch gehemmt werden. Als Verwirkungsfristen gelten etwa Rügefristen oder die Frist zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts.

Der Ablauf einer Verjährungsfrist bewirkt nicht den Untergang einer Forderung. Vielmehr wird nur die gerichtliche Durchsetzung ausgeschlossen, sofern der Schuldner die Verjährungseinrede erhebt. Die Verjährungsfrist kann gehemmt oder unterbrochen werden. Eine Verjährungsfrist ist beispielsweise die fünfjährige Frist zur Geltendmachung von Mängelrechten bei unbeweglichen Werken.

Prozessuale Fristen regeln den zeitlichen Ablauf eines Verfahrens. Welche Wirkungen sich aus dem ungenutzten Ablauf einer prozessualen Frist ergeben, bestimmt sich nach der einschlägigen Prozessordnung. Unter Umständen können prozessuale Fristen erstreckt werden und einige Fristen stehen während den Gerichtsferien still. Eine prozessuale Frist ist beispielsweise die Klagefrist, innert der nach dem Schlichtungsverfahren die Klage beim Gericht eingereicht werden muss.

Rechtsgrundlagen

Fristen können sich aus ganz unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ergeben. Wichtige Rechtsgrundlage für Verjährungs- und Verwirkungsfristen ist das Schweizerische Obligationenrecht (OR). Häufig verweist auch das kantonale Recht auf die bundesrechtlichen Bestimmungen. Beispielsweise verweist das Haftungsgesetz des Kantons Zürich auf die Bestimmungen des OR, welche somit analog als kantonales Recht zur Anwendung gelangen.

Prozessuale Fristen ergeben sich hingegen etwa für Zivilprozesse aus der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), aus anderen bundesrechtlichen Erlassen (beispielsweise dem SchKG) oder aus kantonalen Prozessordnungen, beispielsweise aus dem Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich (VRG).

Berechnung der Frist

Im Anwendungsbereich der ZPO beginnen prozessuale Fristen, welche durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, am darauf folgenden Tag zu laufen. Berechnet sich eine Frist nach Monaten, endet sie am letzten Monat an dem Tag, der dieselbe Zahl trägt, wie der Tag, an dem die Frist zu laufen begann. Fällt der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder auf einen anerkannten Feiertag, endet die Frist am nächsten Werktag. Als Stolperfalle erweisen sich dabei insbesondere die Feiertage. Massgeblich sind nur die Feiertage am Gerichtsort, sofern sie vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannt sind. So ist wohl schon mancher Anwalt darüber gestolpert, dass im Kanton Zürich am Berchtoldstag zwar alle Poststellen geschlossen sind, der Tag jedoch nicht als gesetzlich anerkannter Feiertag gilt.

Eine Verjährungs- oder Verwirkungsfrist endet am letzten Tag der Frist, wobei der Tag, an dem die Frist ausgelöst wurde, nicht mitgerechnet wird. Ist die Frist nach Monaten oder Jahren bestimmt, endet sie am Tag desjenigen Monats, der durch seine Zahl dem Tag des fristauslösenden Ereignisses entspricht.

Die unterschiedliche Berechnung sei anhand des folgenden Beispiels illustriert. Wird am 25. März 2022 eine 12-monatige prozessuale Frist ausgelöst, würde die Frist grundsätzlich am 26. März 2023 enden. Weil der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag fällt, endet die prozessuale Frist erst am 27. März 2023. Wird hingegen eine 12-monatige Verjährungsfrist am 25. März 2022 ausgelöst, tritt die Verjährung ungeachtet des Wochentags bereits am Samstag, 25. März 2023 ein. Die unterschiedliche Berechnung wurde einem Kläger zum Verhängnis, welcher eine einjährige Verjährungsfrist zur Einreichung einer Staatshaftungsklage gegen den Kanton Zürich fälschlicherweise nach den Vorschriften der ZPO berechnet hat, anstatt analog nach den Bestimmungen des OR. In der Folge hat er seine Klage um einen Tag verspätet eingereicht (vgl. Urteil des Bundesgerichts BGer 2C_787/2020 vom 29. April 2021).

Urteil des Bundesgerichts BGer 2C_787/2020 vom 29. April 2021PDF