09.03.2023

Fristenlauf zur Anfechtung eines Beschlusses der STWEG

Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung können innert Monatsfrist angefochten werden. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Beschlusses. Im Urteil LB220020 vom 7. Dezember 2022 hatte das Obergericht des Kantons Zürich zu entscheiden, wann die Anfechtungsfrist für einen abwesenden Stockwerkeigentümer zu laufen beginnt, der sich durch den Verwalter hat vertreten lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sämtliche Ausführungen gelten nicht nur bei einer Vertretung durch den Verwalter, sondern auch bei der Vertretung durch einen anderen Stockwerkeigentümer oder durch einen Dritten.

Wissensanrechnung bei Stellvertretung

Nach den Erwägungen des Obergerichts des Kantons Zürich führt die Stellvertretung dazu, dass die Rechtswirkungen des entsprechenden Geschäfts unmittelbar beim Vertretenen eintreten. Diese Rechtswirkung trete unabhängig davon ein, ob der Vertretene um den Abschluss des Geschäfts weiss oder nicht, denn das Wissen des Vertreters wird dem Vertretenen zugerechnet. Daraus schloss das Obergericht, dass sich der Vertretene die Kenntnis des Vertreters über die Beschlussfassung angerechnet werden muss. Auf den Zeitpunkt, wann der Vertretene vom Stellvertreter über die Beschlussfassung informiert wurde, komme es deshalb nicht an. Zumal der an der Versammlung anwesende Vertreter sogleich Kenntnis des Beschlusses erlangte, begann die Anfechtungsfrist am Tag der Versammlung selbst.

Abgrenzung zum Boten

Umstritten war im genannten Urteil auch die Frage, ob der Verwalter überhaupt als Vertreter bestellt wurde oder vielmehr als blosser Bote einer Willenserklärung. Das Obergericht des Kantons Zürich begründete ausführlich, dass es sich im konkreten Fall nicht um einen Boten, sondern um einen Vertreter handelte. Damit brachte es implizit zum Ausdruck, dass bei einem blossen Boten keine Wissensanrechnung stattgefunden hätte.

Überschreitung der Vertretungsbefugnis

Offen bleibt, wie es sich verhält, wenn der Verwalter zwar nur als Bote mit der Übermittlung einer Stimme beauftragt wird, sich an der Versammlung aber als Vertreter des abwesenden Stockwerkeigentümers ausgibt. Mit dieser Frage musste sich das Obergericht des Kantons Zürich nicht befassen. In einem solchen Fall handelt der Verwalter ohne Vertretungsbefugnis. Eine wirksame Stellvertretung kann sich aber dennoch durch eine sogenannte Anscheinsvollmacht ergeben. Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene gegenüber Dritten eine Vollmacht kundgibt, welche über die effektiv erteilte Vertretungsbefugnis hinausgeht. Ist beispielsweise im Protokoll festgehalten, dass der abwesende Stockwerkeigentümer durch den Verwalter vertreten wurde, muss der abwesende Stockwerkeigentümer gegenüber den anderen Stockwerkeigentümern gegen das Protokoll opponieren. Andernfalls muss er damit rechnen, dass durch eine Anscheinsvollmacht ein Vertretungsverhältnis entsteht. Dies hätte zur Folge, dass er sich das Wissen des Verwalters anrechnen lassen muss und die Anfechtungsfrist ab dem Tag der Versammlung läuft.

Empfehlung für den Stockwerkeigentümer

Der abwesende Stockwerkeigentümer, der seine Stimme zu einem Geschäft in die Versammlung einbringen will, muss deshalb auf eine sorgfältige Formulierung des Auftrags an den Verwalter und auf die Einhaltung der Anweisungen achten. Soll der Verwalter die Interessen des abwesenden Stockwerkeigentümers in die Versammlung einbringen und werden diesbezügliche Weisungen erteilt, handelt es sich um ein Vertretungsverhältnis. Die Anfechtungsfrist beginnt diesfalls am Tag der Versammlung. Der vertretene Stockwerkeigentümer muss sich um eine umgehende Information zur Beschlussfassung bemühen. Sinnvollerweise weist er den Verwalter bereits mit der Erteilung des Auftrags an, sofort über das Ergebnis der Beschlussfassung zu informieren. Will der abwesende Stockwerkeigentümer lediglich seine Stimme übermitteln lassen, hat er die Beschränkung auf diese Aufgabe klar zum Ausdruck zu bringen. Ist danach im Protokoll fälschlicherweise festgehalten, dass der abwesende Stockwerkeigentümer durch den Verwalter vertreten wurde, muss er sofort gegenüber den anderen Eigentümern opponieren. Selbst dann empfiehlt es sich aber, bei der Berechnung des Fristenlaufs vorsichtshalber vom Tag der Versammlung auszugehen.

Empfehlung für den Verwalter

Der Verwalter muss sich in jedem Einzelfall bewusst sein, ob er (respektive ein anwesender Stockwerkeigentümer oder ein Dritter) als blosser Bote oder als Stellvertreter des abwesenden Stockwerkeigentümers beauftragt ist. Insbesondere wenn ein Stockwerkeigentümer für einen abwesenden Stockwerkeigentümer handelt, muss der Verwalter dieses Verhältnis klären. Gerade in solchen Fällen ist nämlich schwer zu erkennen, ob der anwesende Stockwerkeigentümer in eigenem Namen handelt und für den abwesenden Stockwerkeigentümer lediglich die Stimme abgibt oder ob er als Vertreter des abwesenden Stockwerkeigentümers auftritt. Im Protokoll ist schliesslich korrekt festzuhalten, ob ein Vertretungsverhältnis oder ein blosses Botenverhältnis besteht.